Das A und O der Geschichte sind nicht der Anfang und das Ende sondern der Anfang und der kreative Neubeginn, der den nächsten Durchlauf initiiert; Generation für Generation.
So spielt die Geschichte im Kontext von A und O.
A. müht sich in der Hitze des Mittags ab, einen Stein einen Berghang hinauf zu rollen. Kurz vorm Gipfel scheitert er immer wieder und der Stein rollt immer wieder zurück. Entkräftet setzt er sich in den Schatten des Steins als seine Frau O. eintrifft und ihm eine Stärkung bringt. Sie nimmt ein Brot aus dem mitgebrachten Korb, bricht es und hält A. das abgebrochene Stück Brot hin.
O. fürsorglich: «Ich habe einen Laib Brot mitgebracht. Möchtest Du ein Stück?»
A. nimmt das Stück Brot kraftlos entgegen und beisst wortlos ein Stück ab. Eine Schlange, die in einiger Entfernung im Grass liegt, hebt den Kopf, um die Szene besser beobachten zu können.
O.: verführerisch lächelnd : «Ich habe auch Wein und Trauben dabei. Möchtest Du?»
A. schüttelt den Kopf und lächelt ein wenig gequält.
O.: lächelnd: «Ja ich weiss, bei der Hitze tut es Dir nicht gut, mittags schon Wein zu kosten. Ein paar Trauben vielleicht?»
A. schüttelt erneut den Kopf und lächelt weniger gequält.
O.: verführerisch lächelnd: «Na dann vielleicht heute Abend.»
Na hoffentlich hat heute Abend nicht schon ein Anderer vom Würzwein und den Trauben gekostet, denkt sich die Schlange und kricht näher, um besser sehen zu können. Warum muss der Kerl dauernd den Stein hoch und runter rollen. Das ist doch absurdes Theater!
O. interessiert: «Warum willst Du den Stein überhaupt auf den Berg schaffen? Da stellt man doch normalerweise ein Gipfelkreuz auf.»
A. setzt zu einer Antwort an, aber O. ist schneller.
O. besorgt, aber auch vorwurfsvoll: «Und wenn Du in der Hitze noch einen Schlag bekommst, dann bist Du heute abend wieder hundemüde und man kann nichts mehr mit dir anfangen.»
A. setzt erneut zu einer Antwort an, aber O. ist wieder schneller.
O. kämpferisch zu sich selbst redend: «Man muss sich heute nicht mehr selbst opfern. Wir können jetzt der Selektion der Natur mit anderen Mitteln begegnen und können unsere Erwartungen, unsere Ideen und unsere Vermutungen für uns sterben lassen.»
Popper, denkt die Schlange, Spätwerk, das mit den Welten.
A.: «Dieser Fels gehört dem Herrn. Ich will ihn auf den Berg schaffen, dem Herrn ein neues Kunstwerk bauen und beten.»
Der war zu lange in der Sonne, denkt die Schlange und kricht näher zu den Beiden hin. Der Stein soll wohl ein Readymade sein. Evangelisch, denkt sich die Schlange, zu hartes Brot für einen Katholiken.
A. schaut O. an, aber O. hängt noch ihren eigenen Gedanken nach. In Gedanken wär der Stein in Nullkommanichts oben, denkt sie.
O. nachdenklich: «Wozu?»
Als sie A.’s fragendes Gesicht sieht, korrigiert sie sich.
O.: «Warum?»
A.: «Ich nehme meinen selbstgewählten Gott in selbstgewählter Weise an, unterwerfe mich ihm und folge ihm nach. Das ist doch auch die Grundlage unseres Paktes. Wir erfüllen in Freiheit die Regeln, welche die Gesellschaft an uns stellt; aber wir sind frei unser Schicksal anzunehmen. Wenn wir es ablehnen, gehen wir aus freien Stücken in den Tod.»
Ein evangelischer Existentialist, denkt die Schlange. Der hat bestimmt Angst vor Veränderungen, weil er von den vielen Möglichkeiten überfordert ist und jede Entscheidung auf die Goldwaage legt.
O.: «Hat die Realität in deinen Gedanken nicht das falsche Gewicht? Sollte da nicht mehr Hoffnung auf Veränderung sein?»
Die Kleine hat’s auch kapiert, denkt die Schlange. Und sie kennt Murakami, kluges Kind.
A.: «Vielleicht wird es dann schlechter. Vielleicht wird es dann nie wieder Gut.»
Hab ich es mir doch gedacht, denkt die Schlange, ein Existenzialist, den man einfach so in die böse Welt geworfen hat.
O.: «Vielleicht würde es uns besser gehen! Vielleicht riskierst Du zu wenig. Vielleicht fühlst Du auch nicht diese unbändige Lust auf Veränderung. Ist es nicht besser, wenn sich einfach mal was ändert?»
A. schaut unglücklich auf seinen Stein. O. steht auf und sammelt sich.
Für den ist nur weitermachen einfach, denkt sich die Schlange.
O. bittend: «Komm nicht zu spät nach Hause, damit wir uns noch einen schönen Abend machen können.»
A. zuversichtlich: «Ich probier‚s nur noch einmal.»
O. wendet sich ab und geht. A. entspannt sich und sieht verträumt ins Leere. Die Schlange kriecht neugierig heran.
Schlange Besorgnis heuchelnd: «Wohin geht die Kleine so alleine?»
A. überrumpelt: «Nach hause.»
Schlange vorwurfsvoll: «Und was machst Du noch hier?»
A.: «Ich stimme mich mental darauf ein, den Stein auf den Berg zu rollen. Ich hab mir vorgestellt, ich steh oben mit meinem Stein auf dem Gipfel.»
Jetzt sitzt er da mit seinem Stein und träumt sogar noch davon, ihn auf den Berg zu rollen, denkt sich die Schlange kopfschütteln. Ohne die Kleine würde der noch im Paradies sitzen, saufen und Fußball glotzen. Kein Wunder dass, die Kleine ständig das Gefühl kriegt, sie muss da raus.
Die Schlange sitzt immer noch kopfschüttelnd vor A., als der sich abwendet und demütig den Blick senkt.
A.: «Und erlöse uns von dem Übel.»