Holzwege der Vernunft

Anything goes!

Viele Wege führen nach Rom. Führen auch viele Wege zur Vernunft? Viele Wege, die zur Vernunft führen sollten, haben sich im Laufe der Zeit als Holzwege herausgestellt.

Aristoteles hat nicht nur die Basis für Wahrheit und Vernunft in Wissenschaft und Praxis gelegt, sondern direkt oder indirekt auch die Holzwege gepflastert, die alle nicht das eigentliche Ziel erreichen. Insbesondere das Begründungsdenken, das im Münchhausen Trilemma endet, ist bereits im Aristotelischen Denken angelegt. Viele versuchen sich von den Aristotelischen Wurzeln zu befreien, aber in der einen oder anderen Hinsicht fällt dennoch der Schatten des großen Philosophen auf sie. Nach dem Begründungsdenken war es das Streben nach sicherer Erkenntnis, das viele weitere Holzwege gepflastert hat. Die Befürworter des Begründungsdenkens und diejenigen, die nach absoluter Sicherheit streben, haben sich — so wie man heute weiß — in ihren Möglichkeiten überschätzt. Dagegen sieht es so aus, als würden die Postmodernisten unsere Möglichkeiten, mit einer Wahrheitssemantik objektivierbare Modelle zu bilden, eindeutig unterschätzen. Mit Aristoteles könnte man sagen, dass beide Seiten — also sowohl der klassische Rationalismus mit seinem Streben nach absoluter Sicherheit und der Tendenz alles zu begründen als auch die Postmodernisten — nicht die Mitte zwischen zwei falschen Extremen getroffen haben, sondern als falsche Extreme gelten können.
Nimmt man die Wirkung der vielen Holzwege zusammen, haben sich die aktuellen philosophischen Konzeptionen weit von Aristoteles Position entfernt: Die Vernunft wird heute nicht mehr wie bei Aristoteles durch die Vernunfttugenden und die Wahrheit hergestellt, sondern (wissenschaftliche) Methoden haben die Vernunfttugenden verdrängt. In einigen Konzeptionen wird sogar die Idee der Wahrheit diskreditiert und vielleicht dreht sich in Zukunft in manchen Konzeptionen die Sonne wieder um die Erde. Betrachtet man die führenden philosophischen Konzeptionen, muss man davon ausgehen, dass die moderne Philosophie in eine Denkfalle geraten ist, da verschiedenen Konzeptionen unvereinbare methodische Regeln propagieren. Feyerabend drückt es sogar noch niederschmetternder aus: Anything goes!
Eines hat Hans Albert überdeutlich gemacht: Das sichere Wissen, das Aristotels angestrebt hat, ist nicht erreichbar. Mit dieser Erkenntnis scheinen aber nur die Sozialwissenschaften Probleme zu haben. Die Natur- und Ingenieurwissenschaften schreiten schneller denn je von Erfolg zu Erfolg, wohingegen sich die Sozialwissenschaften immer mehr in ihren Methoden verlieren und die Forschungskonzeptionen der Beliebigkeit nähern.
Wer sich der heute angebotenen Alternativen in der Philosophie bewusst ist, kann sehen, dass der klassische Rationalismus auf vielen Holzwegen gescheitert ist und die wissenschaftlichen Methoden genauso am Ende sind, wie der klassische Rationalismus. Beide vegetieren eigentlich nur noch innerhalb der Sozialwissenschaften dahin.

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