In Omnibus Veritas

Für Lewis Caroll
Humpty Dumpty hockt uff de Brick
Humpty Dumpty fiel vun de Brick
un net amol alle zusomme
hawwen widder hie bekomme

In Omnibus Veritas dreht sich alles um die sprachliche Modellbildung mit einer Wahrheitssemantik. Damit die Sache nicht allzu trocken wird, spielen Alice, Humpty Dumpty, der Jabberwocky und viele andere ebenfalls eine große Rolle.

Anything goes!

Alice fährt in Begleitung von Humpty Dumpty und ihren Freunden im Omnibus mit dem Namen „Veritas“ durch die Metropolregion. Der Omnibus hat einen Einbauschrank mit 2n Fächern, den Lewis der geistige Vater von Alice für das Spiel der Logik gebaut hat. In diesen Einbauschrank kann Alice das gerade in Augenschein genommene Universum einsortieren, um zu die Wahrheit einer Aussage der Aussagenlogik zu prüfen. Der Omnibus enthält aber noch weitere „Hilfsmittel“, um die Wahrheit von Sätzen der Prädikatenlogik zu prüfen.

Alice wandelt mit Humpty Dumpty täglich durch die Wandelhallen des ewigen Donners und erlebt in der Metropolregion viele gefährliche Abenteuer mit dem Jabberwocky und seinen zweiundvierzig Elwetritsche. Viele aus Lu werden nicht wissen, wer der Jabberwocky ist, weil der Jabberwocky in Lu als „de Schorsch“ bekannt ist.

Viele Wege führen Alice und Humpty Dumpty in ihren Abenteuern zu verschiedenen Sichten derselben Wahrheiten. Aber alle Geschichten und Abenteurer beginnen damit, dass Alice Humpty Dumpty mit ihrem Omnibus Veritas in der Rheinuferstraße unter der Konrad-Adenauer-Brücke in Lu abholt. Das passiert jeden Tag auf die gleiche Weise.

Alice fährt in dem Augenblick mit dem Omnibus Veritas vor, wenn Humpty Dumpty aus seiner Haustür tritt.

Humpty Dumpty euphorisch: «Guten Morgen Alice, da hast du die Hochstraße!»
Alice lässig: «Hi Humpty Dumpty, ich weiß nicht, was Du mit „Hochstraße“ meinst.»
Humpty Dumpty verächtlich lächelnd: «Natürlich nicht – bis ich es dir sage. Ich meinte: Da hast du ein unlogisches Argument!»
Alice skeptisch: «Aber „Hochstraße“ heißt doch nicht „unlogisches Argument“.»
Humpty Dumpty ziemlich geringschätzig: «Wenn ich ein Wort verwende, dann bedeutet es genau, was ich es bedeuten lasse, und nichts anderes.»
Alice ernst: «Die Frage ist doch, ob du den Worten einfach so viele verschiedene Bedeutungen geben kannst.»
Humpty Dumpty überheblich: «Die Frage ist, wer die Macht hat – und das ist alles.»

Dann steigt Humpty Dumpty zu Alice in den Omnibus und sie fahren ihrem nächsten Abenteuer entgegen.

Frei nach Lewis Caroll

In Omnibus Veritas verwendet Figuren und wenige angepasste Schlüsselstellen aus Lewis Carolls Büchern. Die neuen Abenteuer von Alice und Humpty Dumpty handeln in der Metropolregion.

Wahrheit oder berechtigter Glaube?

Wahrheit ist eben eine Sache und berechtigter Glaube eine andere.

Willard van Orman Quine

Wer sich für die absolute Sicherung der Erkenntnis entscheidet, der entscheidet sich damit gleichzeitig gegen den Realismus, gegen das Streben nach einer das Gegebene transzendierenden Wahrheit und damit gegen jede echte Erkenntnis überhaupt. Er ist daher geneigt, alles Erkenntnisstreben auf den Willen zur Gewißheit zu reduzieren und die Wahrheit durch die Gewißheit des Subjekts oder die gemeinsame Gewißheit der in diesem Streben vereinten Subjekte, also den Konsens, zu ersetzen.

Hans Albert

Das aufgeklärte Paar und die Schlange

Das A und O der Geschichte sind nicht der Anfang und das Ende sondern der Anfang und der kreative Neubeginn, der den nächsten Durchlauf initiiert; Generation für Generation.

Und erlöse uns von dem Übel

So spielt die Geschichte im Kontext von A und O.


Die Schlange lag auf einem Ast als A. und seine Frau O. vor ihr stehen blieben.

Schlange gähnend: «Esst ihr immer noch die Früchte vom verbotenen Baum?»
 
 
O.:«Wir essen jetzt von allen Früchten, außer von den Giftigen, von denen wir sterben oder uns zurück entwickeln würden.»
 
Schlau ist die Kleine geworden, dachte die Schlange.
Schlange altklug: «Also wisst ihr jetzt selbst, was gut für Euch ist?»

O.: zögernd: «Wir leben selbstverantwortlich und selbstbestimmt. Wir fügen niemand ein Leid zu. Wer sollte etwas dagegen einzuwenden haben?»

Das wird ja immer besser, dachte die Schlange.
Schlange belustigt: «Jemand, der besser als ihr weiß, was nicht gut für Euch ist und es Euch verboten hat!»

O.: «Gott mischt sich schon lange nicht mehr in unser Leben ein»

Die Kleine hat definitiv die Hosen an, dachte die Schlange. Sie wollte gerade etwas erwidern, kam aber nicht mehr dazu.

O. selbstbewußt: «Er verwehrt uns zwar nach wie vor das ewige Leben; aber wir werden immer älter, weil wir mehr über das Leben wissen und sich unsere Lebensbedingungen durch die Wissenschaft verbessern. Und die Kunst vermag unserem Leben Sinn zu verleihen.»

Schlange: «Habt ihr auch den Baum des Lebens gefunden? Versucht ihr Euch durch die Wissenschaft und die Kunst das Paradies zurückzuholen?»

Die Frau schaute die Schlange erstaunt, verwirrt und fragend an. Die Schlange wartete geduldig auf eine Antwort.

O. spöttisch: «Weil wir älter werden und uns das Leben angenehmer gestalten? Oder weil die Kunst heute die selben Fragen aufwirft wie die Religion; aber die Wissenschaft andere Antworten findet?»

Nicht schlecht die Kleine, dachte die Schlange, Angriff ist die beste Verteidigung. Aber das letzte Argument des einen Gottes zieht immer.

Schlange furchteinflösend: «Habt ihr keine Angst, Gott gegen Euch aufzubringen?»

O. gespielt unschuldig und dann spöttisch: «Was sollte uns geschehen? Wir sind aus dem Paradies vertrieben, ich gebäre unsere Kinder unter Schmerzen, wir ackern uns ab und sterben werden wir sowieso.»

Schlange ernst: «Ihr könntet aussterben»

Die Schlange dachte, das wird noch spannend mit den Beiden. Hoffentlich gehen Euch noch früh genug die Augen auf. Er ist so passiv und die Kleine wächst ihm über den Kopf. Seine Libido ist schwach, wenn sie ihm gleichberechtigt gegenüber tritt; aber wen soll sie sonst nehmen.

Die Frau wendet sich von der Schlange ab, schlägt die Augen demütig nieder.

O.: «Und erlöse uns von dem Übel»

Der existentialistische Stein des Anstosses


Das A und O der Geschichte sind nicht der Anfang und das Ende sondern der Anfang und der kreative Neubeginn, der den nächsten Durchlauf initiiert; Generation für Generation.

Und erlöse uns von dem Übel

So spielt die Geschichte im Kontext von A und O.

A. müht sich in der Hitze des Mittags ab, einen Stein einen Berghang hinauf zu rollen. Kurz vorm Gipfel scheitert er immer wieder und der Stein rollt immer wieder zurück. Entkräftet setzt er sich in den Schatten des Steins als seine Frau O. eintrifft und ihm eine Stärkung bringt. Sie nimmt ein Brot aus dem mitgebrachten Korb, bricht es und hält A. das abgebrochene Stück Brot hin.

O. fürsorglich: «Ich habe einen Laib Brot mitgebracht. Möchtest Du ein Stück?»

A. nimmt das Stück Brot kraftlos entgegen und beisst wortlos ein Stück ab. Eine Schlange, die in einiger Entfernung im Grass liegt, hebt den Kopf, um die Szene besser beobachten zu können.

O.: verführerisch lächelnd : «Ich habe auch Wein und Trauben dabei. Möchtest Du?»

A. schüttelt den Kopf und lächelt ein wenig gequält.

O.: lächelnd: «Ja ich weiss, bei der Hitze tut es Dir nicht gut, mittags schon Wein zu kosten. Ein paar Trauben vielleicht?»

A. schüttelt erneut den Kopf und lächelt weniger gequält.

O.: verführerisch lächelnd: «Na dann vielleicht heute Abend.»

Na hoffentlich hat heute Abend nicht schon ein Anderer vom Würzwein und den Trauben gekostet, denkt sich die Schlange und kricht näher, um besser sehen zu können. Warum muss der Kerl dauernd den Stein hoch und runter rollen. Das ist doch absurdes Theater!

O. interessiert: «Warum willst Du den Stein überhaupt auf den Berg schaffen? Da stellt man doch normalerweise ein Gipfelkreuz auf.»

A. setzt zu einer Antwort an, aber O. ist schneller.

O. besorgt, aber auch vorwurfsvoll: «Und wenn Du in der Hitze noch einen Schlag bekommst, dann bist Du heute abend wieder hundemüde und man kann nichts mehr mit dir anfangen.»

A. setzt erneut zu einer Antwort an, aber O. ist wieder schneller.

O. kämpferisch zu sich selbst redend: «Man muss sich heute nicht mehr selbst opfern. Wir können jetzt der Selektion der Natur mit anderen Mitteln begegnen und können unsere Erwartungen, unsere Ideen und unsere Vermutungen für uns sterben lassen.»

Popper, denkt die Schlange, Spätwerk, das mit den Welten.

A.: «Dieser Fels gehört dem Herrn. Ich will ihn auf den Berg schaffen, dem Herrn ein neues Kunstwerk bauen und beten.»

Der war zu lange in der Sonne, denkt die Schlange und kricht näher zu den Beiden hin. Der Stein soll wohl ein Readymade sein. Evangelisch, denkt sich die Schlange, zu hartes Brot für einen Katholiken.

A. schaut O. an, aber O. hängt noch ihren eigenen Gedanken nach. In Gedanken wär der Stein in Nullkommanichts oben, denkt sie.

O. nachdenklich: «Wozu?»

Als sie A.’s fragendes Gesicht sieht, korrigiert sie sich.

O.: «Warum?»

A.: «Ich nehme meinen selbstgewählten Gott in selbstgewählter Weise an, unterwerfe mich ihm und folge ihm nach. Das ist doch auch die Grundlage unseres Paktes. Wir erfüllen in Freiheit die Regeln, welche die Gesellschaft an uns stellt; aber wir sind frei unser Schicksal anzunehmen. Wenn wir es ablehnen, gehen wir aus freien Stücken in den Tod.»

Ein evangelischer Existentialist, denkt die Schlange. Der hat bestimmt Angst vor Veränderungen, weil er von den vielen Möglichkeiten überfordert ist und jede Entscheidung auf die Goldwaage legt.

O.: «Hat die Realität in deinen Gedanken nicht das falsche Gewicht? Sollte da nicht mehr Hoffnung auf Veränderung sein?»

Die Kleine hat’s auch kapiert, denkt die Schlange. Und sie kennt Murakami, kluges Kind.

A.: «Vielleicht wird es dann schlechter. Vielleicht wird es dann nie wieder Gut.»

Hab ich es mir doch gedacht, denkt die Schlange, ein Existenzialist, den man einfach so in die böse Welt geworfen hat.

O.: «Vielleicht würde es uns besser gehen! Vielleicht riskierst Du zu wenig. Vielleicht fühlst Du auch nicht diese unbändige Lust auf Veränderung. Ist es nicht besser, wenn sich einfach mal was ändert?»

A. schaut unglücklich auf seinen Stein. O. steht auf und sammelt sich.

Für den ist nur weitermachen einfach, denkt sich die Schlange.

O. bittend: «Komm nicht zu spät nach Hause, damit wir uns noch einen schönen Abend machen können.»

A. zuversichtlich: «Ich probiers nur noch einmal.»

O. wendet sich ab und geht. A. entspannt sich und sieht verträumt ins Leere. Die Schlange kriecht neugierig heran.

Schlange Besorgnis heuchelnd: «Wohin geht die Kleine so alleine?»

A. überrumpelt: «Nach hause.»

Schlange vorwurfsvoll: «Und was machst Du noch hier?»

A.: «Ich stimme mich mental darauf ein, den Stein auf den Berg zu rollen. Ich hab mir vorgestellt, ich steh oben mit meinem Stein auf dem Gipfel.»

Jetzt sitzt er da mit seinem Stein und träumt sogar noch davon, ihn auf den Berg zu rollen, denkt sich die Schlange kopfschütteln. Ohne die Kleine würde der noch im Paradies sitzen, saufen und Fußball glotzen. Kein Wunder dass, die Kleine ständig das Gefühl kriegt, sie muss da raus.

Die Schlange sitzt immer noch kopfschüttelnd vor A., als der sich abwendet und demütig den Blick senkt.

A.: «Und erlöse uns von dem Übel.»

Die intuitive Vernunft und die formale Modellbildung

Die intuitive Vernunft und die formale Modellbildung

Wenn nun die Dispositionen, mit denen wir die Wahrheit treffen und uns niemals täuschen, sei es über das, was nicht anders sein kann, sei es über das, was anders sein kann, Wissenchaft, Klugheit, Weisheit und intuitive Vernunft sind, von den dreien aber (mit den dreien meine ich: Wissenschaft, Klugheit, Weisheit) keines die Prinzipien zum Gegenstand haben kann, dann bleibt nur, dass es die intuitive Vernunft (nous) ist, welche die Prinzipien erfasst.

Aristoteles

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Die Weisheit und das Mittlere

Das Mittlere

Da wir früher gesagt haben, dass man das Mittlere (meson) wählen muss, nicht das Übermaß (hyperbolē) oder den Mangel (elleipsis), und dass das Mittlere durch die richtige Überlegung (logos orthos) bestimmt ist, wollen wir dies letztere analysieren. Bei allen Dispositionen, die wir genannt haben, ebenso wie bei den anderen, gibt es einen Zeitpunkt (skopos), mit Blick auf denjenigen, der die richtige Überlegung besitzt, die Sehne seines Bogens anspannt oder lockert, und es gibt ein Kriterium (horos) zur Bestimmung der mittleren Disposition, die, wie wir sagen – indem sie der richtigen Überlegung entsprechen -, zwischen Übermaß und Mangel liegen.

Aristoteles

Das Credo

Das Credo

Jedes Weltbild hat Glaubenssätze. Ob wir dogmatisch, undogmatisch, kritisch, usw. sind, hängt davon ab, wie wir mit den Glaubenssätzen umgehen. Seit ich mich erinnern kann spielt in meinem Weltbild das Triple Wahrheit, Realität und Vernunft eine besondere Rolle.

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