Magischer Realismus

Der magische Realismus (spanisch realismo mágico) ist eine künstlerische Strömung, die seit den 1920er-Jahren vor allem im Gebiet der Malerei und der Literatur in einigen Ländern Europas sowie Nord- und Südamerikas vertreten ist. Aufgegriffen und weitergeführt wurde der magische Realismus später auch in den Bereichen Filmkunst und Fotografie.

Der Begriff wurde erstmals 1925 vom Kunstkritiker Franz Roh in seinem Buch Nach-Expressionismus: Magischer Realismus. Probleme der neuesten europäischen Malerei verwendet. Roh schreibt: „Mit „magisch“ im Gegensatz zu „mythisch“ sollte angedeutet sein, dass das Geheimnis nicht in die dargestellte Welt eingeht, sondern sich hinter ihr zurückhält.“ Roh prägte den Begriff Magischer Realismus für den Malstil der Bilder, die 1924 bei einer Ausstellung in der Kunsthalle Mannheim präsentiert wurden. Der Name bezog sich vor allem auf die dort gezeigten * Stillleben.  Der Begriff „Magischer Realismus“ erschien ihm treffender als die Begriffe „Verismus“ und „Neuklassizismus“, die nur nur einen Teil der Bewegung darstellten. Verismus, Neuklassizismus und Magischer Realismus bildeten die Teilbewegungen der Neuen Sachlichkeit. Während die anderen Bewegungen der Neuen Sachlichkeit mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten und der nachfolgenden Gleichschaltung der Medien und der Kultur endete, etablierte sich der Magische Realismus in den 1930er-, 40er- und 50er-Jahren als eigenständige Strömung in ganz Europa und in Amerika. Der Übergang zum Surrealismus ist fließend.

Der magische Realismus stellt die Verschmelzung von realer Wirklichkeit (greifbar, sichtbar, rational) und magischer Realität (Halluzinationen, Träume) dar. Er ist eine „dritte Realität“, eine Synthese aus den uns geläufigen Wirklichkeiten: realer und magischer Realität. „Zwischen der Realität, die man eigentlich die „reale Realität“ nennen müsste, und der magischen Realität, wie die Menschen sie erleben, gibt es eine dritte Realität, und diese andere Realität ist nicht nur das Produkt des Sichtbaren und Greifbaren, nicht nur der Halluzination und des Traums, sondern ist Ergebnis der Verschmelzung dieser beiden Elemente. […] es ist das, was wir den magischen Realismus nennen können.“ (Lorenz, Günter W.: Dialog mit Lateinamerika. Panorama einer Literatur der Zukunft. Tübingen/Basel: Erdmann 1970, S. 394).

Um den Magischen Realismus definieren zu können, ist es hilfreich zu wissen, wie sich der Begriff im Lauf der Zeit gewandelt hat. Die Geschichte des Begriffs lässt zwei verschiedene grundlegende Konzepte erkennen:

  • zum einen die Enthüllung der „Magie des Seins“, die unter der Oberfläche des Alltags verborgen liegt (in der europäischen Malerei der 1920er-Jahre),
  • zum anderen das Erzählen von “magical happenings” in der Realität (seit den 1950erJahren in der lateinamerikanischen Literatur, danach von dort ausgehend weltweit).

Bei den Bildern des Magischen Realismus dominiert nicht allein der Mensch, sondern auch vermeintlich nebensächlichen Gegenständen wird Bedeutung beigemessen. Eine Wiederbelebung erfuhr die Kunstrichtung in den 1960er und 70er Jahren. Zum Unterschied von dem zu der Zeit aktuellen * Neuen Realismus werden beim Magischen Realismus die Dinge zum Träger von Botschaften und zu Sinnbildern für Empfindungen. Unter diesem Gesichtspunkt ausgeführte Arbeiten stammen u. a. von B. Goller, A. Kanoldt, K. Klapheck, C. Mense und G. Schrimpf.

Bücher:

Bowers, Maggie Ann: Magic(al) Realism. New York: Routledge 2004

Lorenz, Günter W.: Dialog mit Lateinamerika. Panorama einer Literatur der Zukunft. Tübingen/Basel: Erdmann 1970

Roh, Franz: Nachexpressionismus. Magischer Realismus. Probleme der neuesten europäischen Malerei. Leipzig: Klinkhardt & Biermann 1925

Scheffel, Michael: Magischer Realismus. Die Geschichte eines Begriffes und ein Versuch seiner Bestimmung. Tübingen: Stauffenburg Verlag 1990

Soo Im Choi MA: Mimesis des Herzens, Momente der Epiphanie. Magischer Realismus in zeitgenössischen Romanen und Filmen, Wien 2011, Dissertation, Link.

 

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