Magischer Realismus

„The time has come,“ the Walrus said,
„To talk of many things:
Of shoes–and ships–and sealing-wax–
Of cabbages–and kings–
And why the sea is boiling hot–
And whether pigs have wings.“
From: The Walrus and The Carpenter

Lewis Carroll

„Die Zeit ist reif“, das Walroß sprach,
„Von mancherlei zu reden –
Von Schuhen – Schiffen – Siegellack,
Von Königen und Zibeben –
Warum das Meer kocht, und ob wohl
Die Schweine manchmal schweben.“

Übersetzt von Christian Enzensberger

Anything goes!

Anything Goes!
I GET A KICK OUT OF YOU!
Cole Porter
🙂

Wer sich dem reichen, von der Geschichte gelieferten Material zuwendet und es nicht darauf abgesehen hat, es zu verdünnen, um seine niedrigen Instinkte zu befriedigen, nämlich die Sucht nach geistiger Sicherheit in Form von Klarheit, Präzision, ‹Objektivität›, ‹Wahrheit›, der wird einsehen, daß es nur einen Grundsatz gibt, der sich unter allen Umständen und in allen Stadien der menschlichen Entwicklung vertreten läßt.

Es ist der Grundsatz: anything goes.

Diese Erklärung ist bereits sehr klar, läßt aber immer noch zwei Deutungen zu: Ich vertrete das Schlagwort und mache es zur Basis des Denkens; ich vertrete es nicht, sondern beschreibe bloß das Schicksal eines Liebhabers von Prinzipien, der die Geschichte in Betracht zieht: das einzige Prinzip das ihm verbleibt, ist »anything goes«. Auf S. 37 weise ich die erste Deutung ganz ausdrücklich zurück: »Ich habe nicht die Absicht, eine Menge allgemeiner Regeln durch eine andere Menge zu ersetzen; meine Absicht ist vielmehr den Leser zu überzeugen, daß alle Methodologien, auch die einleuchtesten ihre Grenzen haben …«

Paul Feyerabend
in: Wider den Methodenzwang

Die Interessenlage der großen, postmodernen Brüder

Der Punkt auf den sich die Postmodernisten ganz besonders stützen, ist einfach folgender: Was ein Mensch als wahr ansieht, ist entweder lediglich eine Funktion des individuellen Standpunktes dieses Menschen, oder es ist durch das bestimmt, was der Mensch durch verschiedene komplexere und unentrinnbare gesellschaftliche Zwänge als wahr anzusehen gezwungen ist.
Dieser Standpunkt kommt mir nicht nur viel zu oberflächlich, sondern auch ziemlich beschränkt vor.

Harry S. Frankfurt

Ein starker Glaube kann, auch wenn er gänzlich illusionär sein mag, für die Erhaltung einer Gruppe lebenswichtig sein, […]
Es gibt daher ganz natürliche Hindernisse für den Fortschritt der Erkenntnis, die nicht auf die Beschaffenheit der menschlichen Erkenntnisapparatur, sondern auf der jeweiligen Interessenlage und unter Umständen auch auf der an sie anknüpfenden Art der Normierung des Erkenntnisgeschehens beruhen.

Hans Albert

Das Begründungsdenken

Man kann alles begründen – selbst die Wahrheit.

Oscar Wilde

Beim Begründungsdenken handelt es sich um einen bereits von Aristoteles vorgedachten Holzweg der Vernunft. Hans Albert verbindet das Trilemma der Begründung mit der Geschichte des Baron von Münchhausen, der sich am eigenen Schopf aus dem Sumpf gezogen hat.

Nun führt dieses allgemeine Begründungsprinzip aber zu einer bestimmten Schwierigkeit, […]
Man kann nämlich offenbar nur wählen zwischen:

(1) einem infiniten Regreß, der sich aber als nicht durchführbar erweist,
(2) einem logischen Zirkel, der ebenfalls zu keiner Begründung führen kann, und
(3) einem Abbruch des Verfahrens an einem bestimmten Punkt,

der sich zwar durchführen läßt, aber eine Suspendierung des Prinzips bedeuten würde, deren Willkür schwerlich bestritten werden kann. Es ist nun natürlich angesichts dieser Situation relativ leicht, sich pausibel zu machen, daß man die dritte dieser Alternativen zu wählen hat, und das in der Tat seit Aristoteles, der ja zu diesem Zweck seine wahren und evidenten ersten Prinzipien eingeführt hat, immer wieder geschehen.

Hans Albert

Raum der Entscheidungen

Der Raum der Entscheidungen

So ist also die Klugheit
notwendigerweise
eine mit Überlegung verbundene wahre Disposition des Handelns
in Bezug auf die menschlichen Güter.

Aristoteles

Da wir früher gesagt haben, dass man das Mittlere (meson) wählen muss, nicht das Übermaß (hyperbolē) oder den Mangel (elleipsis), und dass das Mittlere durch die richtige Überlegung (logos orthos) bestimmt ist, wollen wir dies letztere analysieren. Bei allen Dispositionen, die wir genannt haben, ebenso wie bei den anderen, gibt es einen Zeitpunkt (skopos), mit Blick auf denjenigen, der die richtige Überlegung besitzt, die Sehne seines Bogens anspannt oder lockert, und es gibt ein Kriterium (horos) zur Bestimmung der mittleren Disposition, die, wie wir sagen – indem sie der richtigen Überlegung entsprechen -, zwischen Übermaß und Mangel liegen.

Aristoteles

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Das Herstellungswissen

Das Herstellungswissen

Jedes Herstellungswissen hat mit einem Entstehen zu tun,

das heißt damit,

dass man sich ausdenkt und zusieht,
wie etwas von den Dingen,
die sowohl sein als auch nicht sein können,
entstehen könnte,

und zwar von solchen Dingen,

deren Ursprung im Herstellen liegt
und
nicht im Hergestellten.

Denn das Herstellungswissen bezieht sich weder auf das,
was mit Notwendigkeit ist oder entsteht,

noch auf das
was von Natur aus entsteht,
weil dies seinen Ursprung in sich selbst hat.

Aristoteles

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Die Wissenschaft

Die Wissenschaft

Was Gegenstand des Wissens ist, ist also mit Notwendigkeit.

Daher ist es ewig; denn alles, was im absoluten Sinn (haplōs) mit Notwendigkeit ist, ist ewig, und was ewig ist, unterliegt nicht dem Entstehen und Vergehen.

Die Induktion nun führt zur Erkenntnis des Ausgangspunkts (archē), das heißt des Allgemeinen (katholou), während der deduktive Schluss vom Allgemeinen ausgeht.

Die Wissenschaft ist folglich eine Disposition, die sich im Beweisen betätigt (hexis apodeiktikē), mit all den weiteren Definitionskriterien, die in den Analytiken genannt werden.
Dann nämlich hat jemand Wissen, wenn er auf bestimmte Weise überzeugt ist und ihm die Ausgangspunkte bekannt sind. Sind ihm diese nicht bekannter als die Schlussfolgerung, wird er das Wissen nur zufällig haben.

Aristoteles

„Die Wissenschaft“ weiterlesen

Die Vernunfttugenden

Holen wir nun weiter aus und erörtern wir die vernünftigen Bestandteile
der Seele noch einmal. Es sei angenommen, dass es fünf Dispositionen
gibt, mit denen die Seele durch Bejahen und Verneinen
die Wahrheit trifft:
Herstellungswissen (technē),
Wissenschaft (epistēmē),
Klugheit (phronēsis),
Weisheit (sophia),
intuitives Denken (nous).

Aristoteles

„Die Vernunfttugenden“ weiterlesen

Die Definition der Wahrheit

Die Definition der Wahrheit

Ebensowenig aber kann zwischen den beiden Gliedern des Widerspruchs etwas mitten inne (metaxý)liegen, sondern man muss notwendig jedes von jedem entweder bejahen (phánai) oder verneinen (apophánai). Dies erhellt zuerst aus der Bestimmung der Begriffe wahr und falsch.

Zu sagen nämlich,
das Seiende sei nicht oder
das Nicht-seiende sei, ist falsch,
dagegen zu sagen,
das Seiende sei und
das Nicht-seiende sei nicht, ist wahr.

Wer also ein Sein oder Nicht-sein prädiziert, muss Wahres oder Falsches aussprechen.

Aristoteles

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