Wahrheit oder berechtigter Glaube?

Wahrheit ist eben eine Sache und berechtigter Glaube eine andere.

Willard van Orman Quine

Wer sich für die absolute Sicherung der Erkenntnis entscheidet, der entscheidet sich damit gleichzeitig gegen den Realismus, gegen das Streben nach einer das Gegebene transzendierenden Wahrheit und damit gegen jede echte Erkenntnis überhaupt. Er ist daher geneigt, alles Erkenntnisstreben auf den Willen zur Gewißheit zu reduzieren und die Wahrheit durch die Gewißheit des Subjekts oder die gemeinsame Gewißheit der in diesem Streben vereinten Subjekte, also den Konsens, zu ersetzen.

Hans Albert

Die intuitive Vernunft und die formale Modellbildung

Die intuitive Vernunft und die formale Modellbildung

Wenn nun die Dispositionen, mit denen wir die Wahrheit treffen und uns niemals täuschen, sei es über das, was nicht anders sein kann, sei es über das, was anders sein kann, Wissenchaft, Klugheit, Weisheit und intuitive Vernunft sind, von den dreien aber (mit den dreien meine ich: Wissenschaft, Klugheit, Weisheit) keines die Prinzipien zum Gegenstand haben kann, dann bleibt nur, dass es die intuitive Vernunft (nous) ist, welche die Prinzipien erfasst.

Aristoteles

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Die Weisheit und das Mittlere

Das Mittlere

Da wir früher gesagt haben, dass man das Mittlere (meson) wählen muss, nicht das Übermaß (hyperbolē) oder den Mangel (elleipsis), und dass das Mittlere durch die richtige Überlegung (logos orthos) bestimmt ist, wollen wir dies letztere analysieren. Bei allen Dispositionen, die wir genannt haben, ebenso wie bei den anderen, gibt es einen Zeitpunkt (skopos), mit Blick auf denjenigen, der die richtige Überlegung besitzt, die Sehne seines Bogens anspannt oder lockert, und es gibt ein Kriterium (horos) zur Bestimmung der mittleren Disposition, die, wie wir sagen – indem sie der richtigen Überlegung entsprechen -, zwischen Übermaß und Mangel liegen.

Aristoteles

Das Credo

Das Credo

Jedes Weltbild hat Glaubenssätze. Ob wir dogmatisch, undogmatisch, kritisch, usw. sind, hängt davon ab, wie wir mit den Glaubenssätzen umgehen. Seit ich mich erinnern kann spielt in meinem Weltbild das Triple Wahrheit, Realität und Vernunft eine besondere Rolle.

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Magischer Realismus

„The time has come,“ the Walrus said,
„To talk of many things:
Of shoes–and ships–and sealing-wax–
Of cabbages–and kings–
And why the sea is boiling hot–
And whether pigs have wings.“
From: The Walrus and The Carpenter

Lewis Carroll

„Die Zeit ist reif“, das Walroß sprach,
„Von mancherlei zu reden –
Von Schuhen – Schiffen – Siegellack,
Von Königen und Zibeben –
Warum das Meer kocht, und ob wohl
Die Schweine manchmal schweben.“

Übersetzt von Christian Enzensberger

Anything goes!

Anything Goes!
I GET A KICK OUT OF YOU!
Cole Porter
🙂

Wer sich dem reichen, von der Geschichte gelieferten Material zuwendet und es nicht darauf abgesehen hat, es zu verdünnen, um seine niedrigen Instinkte zu befriedigen, nämlich die Sucht nach geistiger Sicherheit in Form von Klarheit, Präzision, ‹Objektivität›, ‹Wahrheit›, der wird einsehen, daß es nur einen Grundsatz gibt, der sich unter allen Umständen und in allen Stadien der menschlichen Entwicklung vertreten läßt.

Es ist der Grundsatz: anything goes.

Diese Erklärung ist bereits sehr klar, läßt aber immer noch zwei Deutungen zu: Ich vertrete das Schlagwort und mache es zur Basis des Denkens; ich vertrete es nicht, sondern beschreibe bloß das Schicksal eines Liebhabers von Prinzipien, der die Geschichte in Betracht zieht: das einzige Prinzip das ihm verbleibt, ist »anything goes«. Auf S. 37 weise ich die erste Deutung ganz ausdrücklich zurück: »Ich habe nicht die Absicht, eine Menge allgemeiner Regeln durch eine andere Menge zu ersetzen; meine Absicht ist vielmehr den Leser zu überzeugen, daß alle Methodologien, auch die einleuchtesten ihre Grenzen haben …«

Paul Feyerabend
in: Wider den Methodenzwang

Die Interessenlage der großen, postmodernen Brüder

Der Punkt auf den sich die Postmodernisten ganz besonders stützen, ist einfach folgender: Was ein Mensch als wahr ansieht, ist entweder lediglich eine Funktion des individuellen Standpunktes dieses Menschen, oder es ist durch das bestimmt, was der Mensch durch verschiedene komplexere und unentrinnbare gesellschaftliche Zwänge als wahr anzusehen gezwungen ist.
Dieser Standpunkt kommt mir nicht nur viel zu oberflächlich, sondern auch ziemlich beschränkt vor.

Harry S. Frankfurt

Ein starker Glaube kann, auch wenn er gänzlich illusionär sein mag, für die Erhaltung einer Gruppe lebenswichtig sein, […]
Es gibt daher ganz natürliche Hindernisse für den Fortschritt der Erkenntnis, die nicht auf die Beschaffenheit der menschlichen Erkenntnisapparatur, sondern auf der jeweiligen Interessenlage und unter Umständen auch auf der an sie anknüpfenden Art der Normierung des Erkenntnisgeschehens beruhen.

Hans Albert

Das Begründungsdenken

Man kann alles begründen – selbst die Wahrheit.

Oscar Wilde

Beim Begründungsdenken handelt es sich um einen bereits von Aristoteles vorgedachten Holzweg der Vernunft. Hans Albert verbindet das Trilemma der Begründung mit der Geschichte des Baron von Münchhausen, der sich am eigenen Schopf aus dem Sumpf gezogen hat.

Nun führt dieses allgemeine Begründungsprinzip aber zu einer bestimmten Schwierigkeit, […]
Man kann nämlich offenbar nur wählen zwischen:

(1) einem infiniten Regreß, der sich aber als nicht durchführbar erweist,
(2) einem logischen Zirkel, der ebenfalls zu keiner Begründung führen kann, und
(3) einem Abbruch des Verfahrens an einem bestimmten Punkt,

der sich zwar durchführen läßt, aber eine Suspendierung des Prinzips bedeuten würde, deren Willkür schwerlich bestritten werden kann. Es ist nun natürlich angesichts dieser Situation relativ leicht, sich pausibel zu machen, daß man die dritte dieser Alternativen zu wählen hat, und das in der Tat seit Aristoteles, der ja zu diesem Zweck seine wahren und evidenten ersten Prinzipien eingeführt hat, immer wieder geschehen.

Hans Albert

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